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Miteinander reden, wie geht das? Gila Delbrück

Miteinander reden
wie geht das?

Wir begegnen uns in unseren Gemeinsamkeiten und wachsen an unseren Unterschieden“ (Virginia Satir)

Miteinander reden – das klingt so einfach…

… doch vielleicht kennt Ihr auch Situationen wie diese:

  • Diese Momente, in denen man fast vergisst, dass das Gegenüber die große Liebe ist und der Mensch, mit dem man sein Leben teilen möchte?

  • Momente, in denen all das in einem Moment in sich zusammenfällt, in dem kein normales Gespräch mehr möglich ist?

  • Situationen, in denen man vor lauter Hilflosigkeit oder Wut laut wird, in Tränen ausbricht oder in Starre und Schweigen verfällt?

  • Streitgespräche, in denen Vorwürfe und Beschuldigungen die Kommunikation beherrschen, man nicht mehr reden will und auch nicht mehr zuhören kann?

  • Tiefpunkte in der Beziehung, in denen der Respekt verloren geht, die Wertschätzung auf dem Nullpunkt steht und es nur noch um Schuldzuweisungen, Erklärungsversuche und Rechtfertigungen geht?

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Aus dem WIR ist ein „Ich“ und „Du“ entstanden, eine schwer zu überwindende Distanz. Und die Kommunikation ist schwer geworden. Und es fing doch einmal so schön an…

 

Wertschätzende Kommunikation ist eine Herausforderung

Viele Paare wissen gar nicht, wie sie miteinander umgehen sollen, wenn nach dem Blick durch die rosarote, hormongesteuerte Verliebtheitsbrille der Alltag auftaucht.

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Kommunikation (nicht nur in der Partnerschaft) ist eine schwierige Sache, sollte natürlich voller Wertschätzung und auf Augenhöhe stattfinden – und gerade das ist in emotional geladenen Situationen besonders schwierig.

 

Der Einfluss unserer gelernten Verhaltensmuster

Vor allem kommuniziert jeder von uns in den Mustern, die wir als Kinder gelernt oder als unbewusste Überlebensstrategie angenommen haben, um zu gefallen oder um unseren Willen zu bekommen. Da übernimmt der Autopilot die Steuerung, zum Beispiel, indem wir das Gegenüber anklagen, uns selbst zum leidenden Opfer und den Partner zum Schuldigen machen, ihn durch zu viele Worte und Erklärungen „mundtot“ machen oder durch Schweigen und Rückzug einfach nicht mehr erreichbar sind.

 

Zeit nehmen für Partnerschaft und Kommunikation

Damit in der Partnerschaft Gefühle von Vertrauen, Intimität und Nähe entstehen und bleiben können, ist die Kommunikation über eigene Wünsche und Vorstellungen, Pläne, Hoffnungen und Sorgen eine wichtige Basis. Glückliche Paare nehmen sich Zeit füreinander – und geben der Beziehung die Priorität in ihrem Leben – mit all der Aufmerksamkeit und Achtsamkeit, die sie auch in den Bau eines Hauses investieren würden. Gute Kommunikation auf Augenhöhe kann man lernen. Und je besser sie in guten Zeiten ist, umso tragfähiger ist sie in Krisen und Konflikten.

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Zum Thema Kommunikation gibt es unendlich viel Informationen, Bücher und Podcasts – es ist schwer auf wenige Punkte zu reduzieren – aus meiner Erfahrung in der Praxis sind dies hier die wichtigsten Punkte, mit denen das Miteinander Reden funktionieren kann:

 

Tipp 1 – Interesse

Interessiere Dich für Deinen Partner. Stelle Fragen.

„Wie meinst du das?“, „Warum denkst du so darüber?“ oder „Wie kann ich dich unterstützen?“

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Sei gesprächsbereit – auch dann, wenn Du von den Themen des Partners nichts verstehst oder Dich nur wenig dafür interessierst.

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Schenke das, was Du Dir selbst vielleicht auch wünschst: Mitgefühl, Verständnis, Anerkennung und Zeit.

Gebe dem Projekt Ehe und Deinem Partner die notwendige Aufmerksamkeit. Gib positive Rückmeldungen, worüber Du Dich gefreut habst (seine Fürsorge, Verlässlichkeit, die SMS oder den Anruf in der Mittagspause … ). Wenn der Partner erfährt, worüber Du Dich freust, weiß er, dass Du seine Aufmerksamkeit bewusst wahrgenommen hast. Und er weiß auch, wie er Dir in Zukunft eine Freude machen kann.

 

Tipp 2: Gesprächsthemen

Belaste Deinen Partner nicht unnötig …

und benutzen ihn nicht als „Mülleimer“. Dauerhaftes Jammern oder Klagen, das Aufwärmen alter Probleme oder unnötige Informationen über „die Cousine vom Chef, die damals schon …“ und unwichtige Details über Themen, die den Partner überhaupt nicht interessieren, sind nicht förderlich für die Beziehung, sondern schaffen eher Distanz als die gewünschte Nähe.

Und wenn es häufig negative Dinge zu besprechen gibt, ist es im Ausgleich ebenso wichtig, sich über positive Dinge zu unterhalten, z.B. über Themen, die die Beziehung stärken wie gemeinsame Interessensgebiete, Freizeit- oder Urlaubsplanung oder gemeinsame Lösungsfindung zu verschiedenen Problemstellungen. Das verstärkt das Gefühl „Wir zwei schaffen alles zusammen“.

Natürlich sollte auch Spaß und Humor nicht zu kurz kommen, denn gemeinsames Lachen verbindet.

 

Tipp 3: Streitthemen

Am häufigsten wird in meiner Praxis über Freizeitgestaltung, Geld, Kindererziehung und beruflich-zeitliche Herausforderungen gestritten. Der Alltag rüttelt an der Partnerschaft und fordert sie manchmal bis aufs Äußerste. Die Rush-Hour des Lebens mit beruflichem Stress, Kindererziehung und dem Erschaffen finanzieller Sicherheit bringt oft die Frage auf den Tisch, wer mehr oder vielleicht auch wer zu wenig für die Beziehung und die Familie tut – gerade in Zeiten, wo beide einfach funktionieren müssen und ganz besonderen Belastungen ausgesetzt sind. Ganz wichtig hierfür ist Tipp 4 – Zeitpunkt und Dauer.

 

Tipp 4: Konfliktgespräche – Zeitpunkt und Dauer

Achte auf den richtigen Moment. Mal eben zwischendurch oder kurz vorm Schlafengehen ist eine „Krisensitzung“ meist nicht von Erfolg gekrönt und zermürbt die Beziehung unnötig. Sprecht Euch also ab, verabredet Euch für ein Gespräch, in dem Ihr in Ruhe und ausgeschlafen miteinander reden könnt. Überfallt den Partner nicht, sondern fragt lieber: „Hast Du mal eine halbe Stunde Zeit für mich? Ich möchte etwas mit Dir besprechen.“

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Konfliktgespräche zeitlich begrenzen

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Begrenzt das Konfliktgespräch auf maximal eine halbe Stunde. Auch wenn das Gespräch zu emotional wird und feststeckt, legt eine Pause ein und startet neu, wenn sich der Autopilot wieder ausgeschaltet hat und beide wieder sachlich miteinander sprechen können. Vereinbart ein Codewort oder klares Stopp, das ausgesprochen wird, wenn einer von Euch beiden nicht mehr weitersprechen möchte oder kann. Vielleicht findet Ihr heute keine gemeinsame Lösung – aber zeigt Eure Bereitschaft, weiter daran zu arbeiten.

 

Tipp 5: Männer und Frauen

Die meisten Männer mögen keine Gespräche über Beziehungsthemen, manche fühlen sie sich durch die emotionale Redeflut ihrer Partnerin auch überfordert und schalten auf „Durchzug“. Für Frauen bedeutet das: nicht zu viel reden, nicht zerreden, klare Botschaften senden, sich kurz fassen. Wenn es etwas gibt, was Du mit Deinem Partner klären möchtest, formuliere zwei oder drei kurze Sätze wie „Ich mag nicht, wenn … „ und „Dann fühle ich mich wie …“ – „Können wir möglicherweise etwas daran ändern?“

Auch Männer :-) müssen natürlich lernen, wie Kommunikation in der Partnerschaft funktioniert. Aufmerksames Hinhören und das Sprechen über eigene Gefühle sind eine wichtige Grundlage dafür.

 

Jeder hat – aus seiner Sicht – Recht

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Wichtig: Beide Partner haben selbstverständlich ihren eigenen Standpunkt und Unterschiede sind ganz normal. Jeder hat aus seiner Sicht der Dinge Recht – es kommt immer darauf an, eine erwachsene, gemeinsame Lösung zu finden. Die persönlichen Programme der Partner – das ist der Autopilot mit seinen emotionalen und mentalen Erwartungshaltungen und Überzeugungen, früheren Ereignissen und Erfahrungen und gänzlich unbewussten Einflüsse – stehen einer schnellen Lösung oft im Wege und können in Einzel-Coachingsitzungen verändert und neutralisiert werden.

 

Tipp 6: Die Formel 5:1

Ausgleich von Negativem durch Positives

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John Gottmann, amerikanischer Beziehungsforscher, hat eine interessante Formel entwickelt, die sich von Paaren in der Praxis sehr gut umsetzen lässt. Es geht um den Ausgleich von negativen Belastungen durch positive Erfahrungen. Er empfiehlt zum Beispiel, ein böses Wort oder eine Kritik ganz bewusst auszugleichen durch 5 liebevolle Gesten, Komplimente, Lob oder Aufmerksamkeiten. Wenn das Positive überwiegt, fällt das Negative weniger ins Gewicht. Hiermit könnt Ihr etwas für die positive Waagschale Ihrer Beziehung tun und Pluspunkte sammeln. Und: das Gute kann nie zu viel sein!

 

Tipp 7: Schuldzuweisungen

Konstruktive Kritik ist gar nicht so einfach. Vermeidet bitte Schuldzuweisungen und Vorwürfe. Sprecht mit ICH-Botschaften und schildert Eure Wünsche konkret und in möglichst kurzer Form – und vor allem ohne dem Partner etwas vorzuwerfen. Ein „Ich würde mich so freuen, wenn du dir am Wochenende Zeit für mich nimmst. Du fehlst mir.“ kommt viel besser an als „Immer bist du weg. Nie hast du Zeit für mich!“

 

Verwendet immer die Ich-Perspektive

 

Sprecht immer aus der Ich-Perspektive wie zum Beispiel „Ich bin ängstlich, weil …“ anstatt „Du machst mir Angst.“ Drückt Eure Gefühle also ehrlich aus ohne Schuldzuweisungen, auf die der Partner nur mit Abwehr, Rechtfertigung oder vielleicht auch Unverständnis reagieren kann. Vielleicht ist ihm nicht bewusst, was sein Verhalten in Dir auslöst. Er hat seine eigene Realität in diesem Punkt und möglicherweise geht einfach auch darum, dass auch Sie Ihre eigenen Handlungsmuster und persönlichen Programme hinterfragen und neu gestalten. (Persönlichkeitsentwicklung)

 

Tipp 8: Du hast Recht und ich auch!

In der Beziehung geht es nicht um „Recht haben“, sondern um Kompromisse aus Liebe und mit dem Ziel einer funktionierenden Partnerschaft, bei denen jeder der Partner bestmöglich zu seinem Recht kommt. Sucht deshalb auf Augenhöhe nach gemeinsamen Lösungen oder Kompromissen. Grund für Streitigkeiten sind oft die (unbewussten) inneren Überzeugungen und Glaubenssätze, wie Dinge zu sein haben. Das fängt vielleicht schon bei der Zahnpastatube an und hört bei der Planung von Familienfeiern wie Weihnachten noch lange nicht auf. Ergründt, welche Emotionen durch die andere Meinung oder das Verhalten des Partners bei entstehen – beispielsweise Hilflosigkeit, sich ausgenutzt oder geliebt fühlen, vielleicht auch ein Gefühl von Ungleichgewicht oder Ungerechtigkeit?

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Solche Gefühle und Erwartungen sind meistens die Ursache für Konflikte, Streit und Enttäuschungen. Der Ursprung für Verhaltensmuster, Gefühle und Ängste sind in der Kindheit begründet und geben jedem Einzelnen aus seiner eigenen Sicht das Gefühl, richtig zu denken und zu handeln. Wichtig dabei ist jedoch: beide Partner haben für sich und aus dem eigenen Erfahrungsschatz her Recht!

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Kompromisse und gemeinsame Lösungen

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Die Frage ist: Wie finden wir eine gemeinsame Lösung, um für Vertrauen, Stabilität und Geborgenheit zu sorgen und unsere Partnerschaft auf ein Level zu bringen, auf dem beide Partner erblühen können?

 

Tipp 9: Keine Reizworte!

Damit sind Worte gemeint wie „immer“, „nie“ und „aber“ oder Worte, von denen Ihr wisst, dass sie den Partner verletzen oder unangenehme Erinnerungen wachrufen. Achtet rechtzeitig auf diese Hinweise und bemüht Euch um die richtige Wortwahl. Seid nicht nachtragend, wärmtkeine alten Streitpunkte wieder auf und nutzt sie auch in der größten Emotionalität keine verletzenden, zynischen oder verächtlichen Worte – sie wirken wie Messerstiche und sind sehr schwer zu heilen.

 

Tipp 10: Interpretiert nicht

Sondern fragt nach, wenn Ihr unsicher seid, was das Gegenüber mit seinen Worten meint. Denn das, was jemand vielleicht sagtn, hat oft eine ganz andere Bedeutung, als Sie vermuten. Vielleicht ist das, was in gerade Angst oder einen Verteidigungsmechanismus auslöst, ja völlig harmlos.

 

Tipp 11: Achtet auf Stimmlage und Körperhaltung

Beobachtet Euch selbst einmal von außen, wie Ihr im Gespräch mit dem Partner von außen betrachtet aussehen. Wirkt Ihr auf offen, zugewandt, freundlich und kompromissbereit? Sprecht Ihr ruhig und in angenehmer Tonlage? Drücken Ihr Wertschätzung aus? Seid Ihr mit dem Partner auf Augenhöhe?

 

Oder vermeiden Ihr Augenkontakt, sitzt mit verschränkten Armen abgewandt und machen sich unzugänglich? Ist die Stimme vielleicht schrill und aufgeregt oder laut und bedrohlich? Macht Ihr Euch klein oder besonders groß? Denkt daran: da sitzt der Partner, den Ihr liebt!

 

Tipp 12: Schreiben oder reden?

Generell gilt: Die Kommunikation über SMS und WhatsApp ist in den meisten Fällen wunderbar dazu geeignet, dass Worte falsch gedeutet werden und Missverständnisse entstehen. Das persönliche Wort ist immer besser.

 

Tipp 13 : Miteinander reden

Das absolute Minimum der Kommunikation auch in Krisenzeiten:

Nehmt Euch täglich mindestens 10 Minuten füreinander Zeit. Das ist besonders in Zeiten großer Veränderung oder bei großen Herausforderungen das Mindeste, um immer wieder Nähe und Verständnis für den Partner herzustellen:

Stellt Euch gegenseitig diese Fragen.

  • Was war für Dich heute am Unangenehmsten?

  • Was war für Dich am Schönsten – worüber hast Du Dich heute gefreut?

  • Gibt es etwas, was ich JETZT für Dich tun kann?

 

Praxistipp:

Wenn diese 3 Fragen regelmäßig – vor allem auch in guten Zeiten der Beziehung – gestellt werden, kann auch in Krisensituationen, wenn die Kommunikation angespannt ist, ganz anders miteinander geredet werden. Man kennt den Partner dadurch viel besser und Veränderungen oder unterschiedliche Meinungen machen dann auch weniger Angst.

Am wichtigsten bleibt es, sich immer wieder bewusst zu machen, dass Dein Gegenüber Deine Liebe ist. Denn dann könnt Ihr auch während eines Konflikts Vernunft walten lassen. Mit einer Portion Akzeptanz und Zuneigung wird dann auch die Beziehung erfolgreich.

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